Bus-Streik bei OVN in Schleswig-Holstein

Ab Donnerstag, den 10.10. werden verschiedene Busunternehmen in ganz Schleswig-Holstein bestreikt. Was ist der Grund?

Eine der dreistesten und destruktivsten Entscheidungen, die bislang in Land und Branche von einem Arbeitgeberverband getroffen wurde! Der OVN (Omnibusverband Nord) umfasst viele kleine und größere private Busunternehmen in ganz Schleswig-Holstein. Damit ist er ein wichtiger Verhandlungspartner für die Erzielung von Tarifen für Angestellte des hiesigen Busgewerbes.

Ver.di hat mit dem Ziel einer Einigung bereits monatelang mit dem OVN verhandelt. Ein Kompromiss – der auch laut ver.di selbst durchaus kritisiert werden konnte – war als Ergebnis der schwierigen Verhandlungen entstanden: Immerhin 275€ mehr monatlichen Lohn sowie 850€ einmaligen Inflationsausgleich. Dass solche Tarif-Anpassungen oft nicht einmal die Verluste im Reallohn auffangen können, geschweige denn eine echte Besserung für die Lage der Arbeiter*innen bedeuten, ist leider immer wieder zu beobachten.

Und dennoch entschied sich der OVN, den Kompromiss nun einfach am letzten Tag der Erklärungsfrist nicht zu unterzeichnen. Angeblich sind Kürzungen in den Landesmitteln daran schuld, dass die verabredeten Lohnanpassungen nicht mehr tragbar seien. Die gleiche Leier wie immer! Wir glauben kein Wort über zu knappe Mittel, solange sich die Bosse weiter fette Gehälter in die Taschen stecken können. Dennoch ist auch die Landesregierung absolut unverantwortlich, wenn sie durch Mittelkürzungen diese Steilvorlage gibt.

Ver.di bezeichnet den Rückzug als „die härteste Kampfansage, die ein Arbeitgeberverband nur machen kann“ und hat demnach nun die Streiks veranlasst. Weiterhin steht dem OVN dabei sogar das Angebot offen, diese jederzeit durch ein Unterzeichnen des Tarifs zu beenden. Erfahrungsgemäß wird dies aber nicht passieren, stattdessen ist mit Stimmungsmache und Hinhalterei zu rechnen.

Nun ist wieder einmal der Zeitpunkt, um sich absolut solidarisch mit dem Arbeitskampf der ÖPNV-Angestellten zu zeigen! Auch wenn, pünktlich zu den Herbstferien, Ausfälle in dieser Branche für viele Menschen ärgerlich sind, muss klar sein: Die Schuld liegt nicht bei den Streikenden! Dieser Arbeitskampf ist legitim und unser aller Wut gebührt den Arbeitgebern und Politiker*innen, die keinen Wert darauf legen, dass der ÖPNV funktioniert.

Wir finden: Öffentlicher Nahverkehr muss funktionieren, er muss wachsen, er muss bedingungslos finanziert werden! Die Arbeiter*innen, die ihn ermöglichen, haben gesunde Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn verdient! Nur so können wir eine klimafreundliche Verkehrswende und Mobilität für alle erreichen!

Wie viel Streik ist angemessen?

Quadratisches Sharepic. Der Hintergrund ist ein schwarz-roter Farbverlauf, darauf in weiß der Text "Wie viel Streik ist angemessen?" sowie das Logo der FAU Kiel.

Streiks scheinen aktuell überall zu sein. Mal der ÖPNV, mal das Flughafenpersonal, immer wieder dazwischen die Bahn. Doch nicht nur der Verkehrssektor wird bestreikt, auch im Gesundheitsbereich haben wir zuletzt Krankenhaus-, Hausärzt*innenpraxen- und sogar Apothekenstreiks gesehen. Auch in der Pflege- und Erziehungsbranche sind Streiks in den letzten Jahren häufiger geworden.

In Deutschland wird dabei im europäischen Vergleich nicht viel gestreikt: In Frankreich und Dänemark kommen 1000 Arbeitnehmer*innen durchschnittlich auf gut über 100 Streiktage im Jahr, was über 15-mal so viel ist wie die durchschnittlichen 7 Tage in Deutschland.

Dennoch ist der aktuelle Arbeitskampf für deutsche Verhältnisse auf einem ungekannten Maß – kein Wunder bei den sich immer weiter anhäufenden Krisen. Die starke Inflation hat überall zu einem Reallohnverlust geführt, den die Arbeitgeber natürlich nicht freiwillig in Form von angemessenen neuen Tarifen ausgleichen. Dazu kommt der seit Jahrzehnten vorhersehbare, und doch kaum ernsthaft vorgebeugte Fachkräftemangel.

Gerade in den körperlich und psychisch besonders belastenden Jobs finden sich immer weniger Auszubildende, und die vorhandenen Fachkräfte brennen aus, fallen aus, oder springen ab und wechseln die Branche. Wer kann es ihnen verübeln. Ausfälle und Unterbesetzung müssen dann von den verbliebenen Angestellten aufgefangen werden, wodurch eine ewige Abwärtsspirale entsteht. Geht das nicht anders?

An dieser Stelle kommen die Streiks ins Spiel. In den meisten Fällen ist neben dem „klassischen“ Thema Tariflohnerhöhung auch eine der zentralen Forderungen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – z.B. in Form von mehr Urlaub, anderer Schichtplanung, und Arbeitszeitverkürzung. Unmöglich, sagen Deutsche Bahn und co., schließlich gibt es ja so schon zu wenig Arbeitskraft, dann müssen die Arbeiter*innen gefälligst Überstunden machen und nicht noch weniger arbeiten!

In den Medien wird das Verständnis für Streikende auch nicht gerade gestärkt: Immer wieder werden die Zahlen der voraussichtlich „betroffenen“ Bürger*innen berechnet, um den gemeingefährlichen Charakter der Streiks hervorzuheben, den Gewerkschaften wird Machtgier und Maßlosigkeit vorgeworfen. Die Bevölkerung und Politik gehen mehr und mehr mit – Verkehrsminister Wissing kündigte kürzlich an, in naher Zukunft schärfere Regeln im deutschen Streikrecht auf den Weg bringen zu wollen.

Eine naheliegende Reaktion, wenn das Kapital verteidigt werden soll. Statt die Millionen-Boni für das Top-Management und die Rendite für Investoren abzusägen, wie es angemessen wäre, wird weiter die Behauptung zementiert, dass leider leider einfach kein Geld für die Angestellten übrig ist. Noch scheinen die Arbeiter*innen fest in der Hand des Kapitals – doch wenn der Eindruck entsteht, dass sie ihre Macht eventuell doch zu nutzen lernen, sollen ihre Rechte natürlich schnell noch weiter eingeschränkt werden.

Das dürfen wir nicht zulassen! Unsere Solidarität gilt allen Streikenden! Wir müssen das Streikrecht verteidigen! Wir müssen uns noch mehr organisieren, mehr Gegenmacht aufbauen! Es ist so viel Streik angemessen, wie es braucht, bis die Konzerne und ihre Bosse von ihrem hohen Ross stürzen. Erst für angemessene Bezahlung und Arbeitsbedingungen, dann für die Kontrolle über die Arbeit selbst! Konzerne gehören in die Hand der Arbeiter*innen!